Der Preis für billiges Fleisch

Die Milliardenumsätze der Fleischindustrie kaschieren, was ihre Produkte wirklich kosten. Wer Fleisch isst, zahlt dafür dreimal: als Käufer, als Steuerzahler und als Umweltnutzer – gemeinsam mit der Natur selbst. Ein Auszug aus dem „Fleischatlas 2013“.

Die Kosten, die die Umwelt zu tragen hat, sind wahrscheinlich die höchsten, doch sie sind nur schwer zu berechnen. Dazu gehören die Schäden aus Massentierhaltung, die zur Überdüngung führen, nicht nur durch die Gülle, sondern auch durch die mineralische Düngung von Futtermais und -getreide. Wenn sich die Trinkwasserqualität eines Brunnens wegen hoher Nitratbelastung allmählich verschlechtert, sind die Kosten nur schwer zu berechnen – sie werden erst erkennbar, wenn der Brunnen geschlossen werden und die betroffene Gemeinde ihr Trinkwasser von weit her holen muss.

Externalisierte Kosten – solche, die nicht in den Preis eines Produkts eingehen – entstehen auch, wenn der Boden als Filter von Regenwasser wegen Überdüngung an Leistungskraft verliert, die Erosion fruchtbare Erde fortträgt, die Artenvielfalt in den Gewässern zurückgeht und am Ende Fischer und Touristen unter Algenteppichen leiden. Massive Konsequenzen für die Menschen liegen noch weiter von der eigentlichen Ursache entfernt: Die Abgabe von Amoniak aus Intensivtierhaltungen in die Atmosphäre trägt zum Klimawandel bei, erhöht das Krebsrisiko und verkürzt die Lebensdauer.

In Deutschland geht ein Fünftel dieser Stickstofffracht im Agrarsektor allein auf Tierfutterimporte zurück. In der europäischen Landwirtschaft, schätzte im Jahr 2011 das European Nitrogen Assessment, liegen die Schäden durch den Einsatz von Nitrodüngern bei 70 bis 320 Milliarden Euro. Die Studie schlussfolgerte: Die Kosten für den Stickstoff, der in die Umwelt abgegeben wird, wiegen schwerer als die positiven Ergebnisse wie höhere Erträge, hauptsächlich wegen der Folgen für die Gesundheit des Menschen. Entsprechend hoch ist die Rechnung, die durch die Fleischproduktion für die Umwelt entsteht.

Unter den Niedrigpreisen haben auch die Arbeiter zu leiden. Der knallharte Preis- und Konkurrenzkampf ums billige Fleisch zwingt so gut wie jeden größeren Betrieb dazu, unter sehr fragwürdigen Bedingungen zu produzieren, berichtet der WDR von der „modernen Form der Sklaverei“ an größen Schlachthöfen. Die Arbeiter müssen im Akkord und bekommen dafür meist nur Niedrigstlöhne.

Zwei Drittel aller Betriebe verstoßen gegen Arbeitsschutzvorschriften, haben Kontrolleure des NRW-Arbeitsministeriums im Sommer 2013 festgestellt. Ein Problem war beispielsweise ein zu geringer Abstand der Arbeiter voneinander. Typischerweise stehen die Arbeiter am Fließband, hantieren mit langen, extrem scharfen Messern – das birgt die Gefahr, den Nachbarn zu verletzen. Auch Verstöße gegen gesetzliche Arbeitszeitregeln stellten die Prüfer fest. Zum Teil mussten die Arbeiter statt der erlaubten zehn bis zu 13,5 Stunden arbeiten.

Neben der Subventionierung durch die Natur ist die Subventionierung mit öffentlichen Geldern der andere große unbekannte Faktor der Fleischrechnung. Milliardenschwere EU-Beihilfen umfassen unter anderem Flächenzahlungen und die Bereitstellung von Verkehrsinfrastruktur, insbesondere die Hälfte für den Futtermittelhandel. Die EU fördert zudem Investitionen in Ställe mit bis zu 50 Prozent – ein mächtiger Anreiz, mehr Schweine, Geflügel und Rinder zu produzieren. Zusätzlich stehen im EU-Haushalt jährlich über 240 Millionen Euro direkt für die Fleisch verarbeitende Industrie zur Verfügung.

Greenpeace will das ändern. Die Non-Profit-Organisation fordert, die Subventionierung über den Mehrwertsteuersatz abzuschaffen und eine Abgabe auf Stickstoff-Dünger einzuführen. PETA geht noch weiter und fordert eine Fleischsteuer. Würden die Forderungen von Greenpeace umgesetzt, müsste jeder Deutsche im Jahr 25 Euro mehr fürs Fleisch bezahlen.

Dann würden die Menschen deutlich weniger Fleisch essen: Jährlich fast zehn Prozent weniger Schweinefleisch, ein Kilo Geflügel und ein halbes Kilo Rindfleisch, schätzt das Forum Ökologisch-Soziale Marktwirtschaft (FÖS). Das hört sich nicht viel an, aber hochgerechnet würde es bedeuten, dass im Jahr etwa 3,8 Millionen Schweine, 60 Millionen Hühner und 180.000 Rinder weniger geschlachtet würden. Das würde so viel CO2 einsparen, wie knapp zwei Millionen Autos pro Jahr ausstoßen. Agrarflächen zum Futtermittelanbau in der Größe des Ruhrgebiets würden frei werden.

So billig das Fleisch oft ist: Die Käufer, der Steuerzahler und die Umwelt müssen einen hohen Preis dafür zahlen. Es ist an der Zeit, die Subventionen zu stoppen und realistische Preise einzuführen. Das Geld sollte lieber in gesunde und klimaverträgliche Lebensmittel investiert werden.

Der Originalbeitrag stammt aus dem (überaus lesenswerten) „Fleischatlas 2013“, herausgegeben von der Heinrich-Böll-Stiftung, dem Bund für Umwelt- und Naturschutz (BUND) und Le Monde diplomatique. Der Beitrag wurde gekürzt und ergänzt um den WDR-Bericht, die Forderungen von Greenpeace und PETA sowie das Fazit.

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